Wie kommt Kind an Therapie? Ich fürchte, Kind 1 (12) hat so einige Probleme, die wir alleine als Familie nicht lösen können und es bräuchte externe Hilfe. Unter Umständen auch gleich doppelt: Ergo- und vielleicht Verhaltenstherapie - oder was es da für Kinder passendes gibt.
Kind hat zum einen irgendwie keine “Lust”, sich um sich selbst zu kümmern, drückt alles Körperliche im wahrsten Sinne des Wortes weg (der größere Toilettengang nur alle 3-4 Tage), Rotz bleibt bitte IN der Nase, verkriecht sich in Büchern (was so von der Grundidee her ja toll ist, aber es scheint zu viel und absorbierend) und blendet die reale Welt aus. Dazu kommt eine stetige Gewichtszunahme und Trägheit mit massivem Fokus auf Nudeln. Der einst geliebte Sport wird fallen gelassen. Inzwischen gibt es massive Hänseleien in der Schule.
Zwischen den Geschwistern wird es immer fieser und eskaliert immer stärker (eigentlich müsste es hier gleich eine Paartherapie geben 😉).
Der Leidensdruck wäre für uns Eltern schon massiv überspannt, aber nicht fürs Kind. "Ja, es ist halbwegs blöd, aber dass ich mich jetzt überwinden und anstrengen müsste, dafür ist es nicht blöd genug … "

Das Ganze ist so nicht erst plötzlich seit jetzt, sondern schon länger. Aber es entwickelt sich schleichend immer weiter und wir haben die letzten Monate versucht, mit eigenen Mitteln zu helfen. Aber irgendwie kommen wir nicht so recht weiter.
Wir sind wegen der Toilettengeschichte schon beim Kinderarzt, aber der ist so etwas wenig feinfühlig … (Soll sich nicht so haben usw. 🙄)

Ich fürchte, hier ist so einiges “verkeilt” und “verklemmt” und wir sind als Familie mit unseren Strukturen zu eingefahren, um das auflösen zu können.

Frage: Wie kommt man (in Berlin) an Therapien? Welche sind sinnvoll? Kann / muss das verordnet werden? Muss man das als Eltern selbst zahlen oder ist das Kassenleistung? Wer ist Ansprechpartner für so etwas? Habt ihr Tipps?

@eltern @gesundheit #eltern #fedielten #kinder #therapie #gesundheit #ergo #verhalten #schule #jugendhilfe #familie #familienhilfe #jugend #pubertät #berlin

  • NochMehrG@feddit.org
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    3 months ago

    Psychotherapie ist eine Kassenleistung, zumindest die zugelassenen Therapieformen. Termine findet man entweder über rumtelefonieren oder den Vermittlungsservice der Krankenkassen 116117. Das ist eine Telefonnummer, die man anrufen kann, es gibt aber auch eine Webseite und eine App. Schneller geht es oft über Ausbildungsambulanzen von psychiatrischen Kliniken. Da werden die Termine von Psychologen:innen in der klinischen Ausbildung unter Begleitung von „fertigen“ Psychologen:innen/Psychater:innen durchgeführt.

  • roggenroll@lemmy.world
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    3 months ago

    Vorab, ich arbeite in Jugendamt im Bereich der Eingliederungshilfe für seelisch beeinträchtigte Kinder und Jugendliche.

    Von deiner kurzen Schilderung würde ich eine psychotherapeutischen bzw psychiatrische Diagnostik anstreben. Viele deiner Beschreibungen sind relativ typisch für Menschen im Autismusspektrum (stereotypes Essverhalten, Körperwahrnehmung, einseitige bzw obszessive Freizeitgestaltung). Gerade wenn ihr das schon länger beobachtet, wäre ASS zumindest denkbar, natürlich auch vorausgesetzt, somatische Gründe wurden ausgeschlossen.

    Das ist aber nur rein hypothetisch und spekulativ, war nur mein erster Gedanke, da ich eben viel in dem Bereich arbeite.

    Diagnostik wäre eine Kassenleistung, allerdings gibt es eigentlich überall zu wenige Psychiater*innen um zeitnah Hilfe zu erhalten und die Wartezeiten für Eltern sehr zermürbend. Schau mal nach den für Euch zuständigen Verfahrenslotsen, deren Aufgabe ist es Eltern dabei zu unterstützen, passende Hilfen und Angebote zu finden, die wissen vielleicht auch, wo ihr evtl schneller was kriegt. Verfahrebslotsen sind in der Regel an das Jugendamt angegliedert. Alternativ könnte man auch Absagen sammeln und dann über die Krankenkasse das OK für die Übernahme der Kosten einer privaten Praxis erstreiten (müssen sie, wenn du über die standardleistungen keine Hilfe kriegst ).

    Ergo könnte vom Kinderarzt verschrieben werden, falls ihr euch bei eurem nicht gut aufgehoben fühlt und es möglich ist, wäre auch ein Wechsel eine Überlegung wert. Erfahrungsgemäß kommt es immer wieder vor, dass gerade der Bereich seelischer Störungen von Kinderarzt*innen gerne auch mal nicht gesehen oder bagatellisiert wird.

    All die Wege wären erst mal kostenlos und die medizinischen Leistungen über die Kasse abgedeckt. Sollte sich diagnostisch etwas im Bereich von bspw Autismus oder ähnlichem erhärten, könntet ihr Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe bzw. Teilhabeleistungen beim Jugendamt prüfen lassen. Das macht stellenweise Sinn, da beispielsweise autismusspezifische Förderung nicht von den Kassen übernommen werden, sondern über die Jugendhilfe laufen bzw Eingliederungshilfe nach 35a SGB 8.

    Leider braucht man für die Wege einen langen Atem und oftmals Geduld und die Bereitschaft Praxen regelmäßig auf den Sack zu gehen, dass man Unterstützumg erhält. In Relation zum Bedarf bei Kindern und Jugendlichen ist die Versorgungslage tatsächlich katastrophal (wobei es noch kommunale Unterschiede gibt). Melde Dich gern bei weiteren Fragen ansonsten erst mal alles Gute!

    Edit: Für euch als Eltern gibt es natürlich noch die Möglichkeit Erziehungsberatungsstellen aufzusuchen, die könnten mit Euch einen passenden Umgang und Strategien erarbeiten, die Situation zu Hause besser zu händeln. Die Beratung ist ebenfalls kostenlos und kann auch anonymisiert erfolgen. Anbieter wie proFamilia oder DKSB gibt es eigentlich deutschlandweit. Einfach Kontakt raussuchen und Termin ausmachen, mehr braucht es nicht.

    • jeff@friendica.opensocial.spaceOP
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      3 months ago

      @roggenroll Oh, ganz, ganz lieben Dank für deine super ausführliche und hilfreiche Antwort. An eine Form von Autismus haben wir in der Tat auch schon das eine oder andere Mal gedacht. Spätestens als am dritten Tag immer noch derselbe Musiktitel in Dauerschleife in der Musikbox zu hören war 😉 Aber Kind hat auch so Ansätze, dass Dinge immer ganz genau so und nicht anders ablaufen müssen. Und wenn etwas die Wahrheit oder die Regel ist, dann wird das gnadenlos durchgezogen - egal, ob dann jemand anderes darunter leidet. (Wieso, ist doch die Wahrheit?!)
      Das sind natürlich immer alles nur kleine Indizien, die ein Hinweis sein können, aber nicht müssen. Und das Spektrum von Autismus ist groß und Anfang und Ende sind “unscharf”.
      Somatisch können wir ausschließen. Das hat der Kinderarzt abgeklärt. Und inzwischen haben wir sogar eine Überweisung zum “Psychotherapeuten”. Hurra. Aber da gibt es so spontan wohl kaum freie Termine. Daher sind deine Tipps super. Das schauen wir uns mal an.

  • MrFloppy@feddit.org
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    3 months ago

    Erste Anlaufstelle wäre auch für mich der Kinderarzt gewesen. Wenn der sich blöd anstellt ist das sehr schade.

    Als nächstes würde ich mit der Krankenkasse sprechen. Die haben einerseits eigene Angebote und können andererseits sagen welche Leistungen bei welcher Stelle sie bezahlen/bezuschussen (so ist es jedenfalls bei Meiner)

    Auf privater Ebene; wenn es mit Sport gerade nix ist, würde ich nach Alternativen schauen. Was auch immer. Hauptsache regelmäßig unter Leuten und mit wenig Leistungsdruck. z.B. JRK

    • jeff@friendica.opensocial.spaceOP
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      3 months ago

      @MrFloppy Der Kinderarzt hat nun doch ein Einsehen gehabt und eine Überweisung ausgegeben. Uff, damit haben wir erst mal etwas in der Hand. Ja, die Kasse anzurufen ist bestimmt nicht das schlechteste.

      Der Druck ist blöd, genau. Der muss raus. In der Schule ist schon genug Druck …
      Was ist denn “JRK”? Das sagt mir jetzt so spontan nichts 🤔

      • MrFloppy@feddit.org
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        3 months ago

        JRK ist Jugendrotkreuz. Bei uns machen die wöchentlich Gruppenstunden mit Spielen und Workshops. Vielleicht gibt es bei dir in der Nähe irgend etwas Ähnliches, als Alternative zum inzwischen unbeliebten Sport.

        Oder ein anderer Sport wie z.B. Judo, oder Brasilian-Jujutsu, wo jeder in seinem eigenen Tempo für sich übt und doch in einer Gruppe ist.